AUTOR: Marc Groß

Tief drin, im Innersten meines Selbst, da verbirgt sich so eine Angst, eine Angst, die größer ist als alles das, was war und als alles das, was sein wird. Kaum greifbar, aber immer auch um mich rum. So wie ein klitzekleiner Schatten. Ein Wispern von fern. Ein rauschender Grund, der mir manchmal meinen Fokus nimmt.

Der mir manchmal das krönende I-Tüpfelchen raubt.

Der sich als Eselsohr in mein Lieblingsbuch einschleicht.

Das seichte, ungute Gefühl, meist von hinten rechts.

Doch mit einer einfach von links strahlenden Rotlichtlampe komm ich ihm nicht bei. Und ich hab wirklich alles versucht.

Mich entgegen der Uhr gewunden.

Mich nochmal ganz von vorn, mit meinen damals kaum sichtbaren Händen selbst entbunden.

Mich mal in so eine Frau gedacht. Ok, versucht. Gelacht.

Geweint, allein und auch vereint.

Mit dir und mir im Gestern, wie im Hier.

Stahl ich so manches Ohr.

Malte auch mal so nen bunt getupften Chor.

Doch was da immer blieb, das war der Dieb, der kleine Schmerz, das Bittere an einem Scherz.

Wenn ich Dinge in mir drin nicht verstehe und das kommt ab und an mal vor, dann versuche ich tief in mich reinzuhören. Dadurch lerne ich mich wieder und wieder neu kennen. Über die Jahre habe ich dadurch ein Maß für mich gefunden, was mich vor Entfremdung schützen soll.

Der Schatten nun, wuchs immer dann wenn die Herausforderungen, die mir begegneten neu und größer wurden. Er ergriff mich dann immer so rund um die Magengegend. So ein vibrierender Druck, der mich unter Spannung setzte. Irgendwas Komplexes, nicht Schichtbares. Ich vermochte es nicht, ihn scheibchenweise zu entzerren. Häufig saß ich dann in einem Riesenrad kurz vor dem höchsten Punkt. Die Aussicht fast HD und doch auch immer klamm. Gerade dann, wenn es am Schönsten war, wenn meine kleine Tochter Pippi Langstrumpf in mein Sichtfeld stolperte, die neben mir vollgestopft mit Mut hin oder her ruckelte und ständig „Nochmal Pappa, Nochmal“ rief, war es mir kurz bang.

Am Tag, an dem ich das Virus das erste Mal wahrnahm, war es nur kurz wie auf dem Riesenrad. Obschon, legte ich Corona auf unbestimmte Wiedervorlage. Natürlich sponn ich grad noch ein paar Verschwörungsfäden und sonderte rundum wissenschaftlich klingende Nachrichten an meinen Freundeskreis ab.

Randnotiz an mich:

Demut ist der Mut sich einzuordnen, ohne sich dabei zu verlieren.

Demut ist die Hoffnung, dass da auch noch andere sind, die sich nicht verlieren.

Demut ist ein selbstgewebter Vorhang, unter den man schlüpft, wenn man sein Maß im Lot hat, ohne sich dabei zu verlieren.

Wochen später, verlor ich mich.

Tag um Tag.

Fall um Fall.

Zahl um Zahl.

Region um Region.

Opfer um Opfer.

Der Schatten wurde zu einem ungezähmten Heißluftballon, der mich mitriss. Jeden Tag pochte mein Sein, wie das Uhrwerk einer dieser verchromten Stoppuhren von einem cholerisch-begabten Leichtathletiktrainer aus den 80er Jahren. Ich fand mich inmitten von meterhohen Wellen wieder, die Ping Pong mit der Klarheit meiner Gedanken spielten.

Und um ich rum ein ausgetrocknetes Flussbett, voll mit den wenigen Masken der Vergangenheit und leer durch den Bedarf an zukünftiger Vermummung. Menschen stochern in kurz aufkeimenden Feuchtbiotopen. Aber es sind derer nicht mehr viele, hier in der trockensavannigen Hitze dieser Tage.

Aber Einige, von den Wenigen, diejenigen die eben doch da sind, die haben sich aufgemacht den Schatten zu jagen, gemeinsam anstatt einsam, gehen sie selbstlos voran und nageln das flammende rote Kreuz tatsächlich immer noch paritätisch an jede verdammte Wand, die noch brüchig im staubigen Moloch wankt.

Und sie machen sich auf, einfach anzupacken wo es geht. Eben da, wo der unsichtbare Schatten unaufhörlich schwebt.

So geben sie vom Wertvollsten was sie haben, während sich das Riesenrad nunmehr in aller Windeseile dreht. Von sich, ihrer Kraft und Energie, vom puren Menschsein. Und auch das Scheitern schreckt sie niemals nie.

Hommage an die Wenigen:

Nebel rieselt leicht durch meine Glieder.

Alles schwebt in frisch gedehnter Ruh.

Engel säuseln flauschig fromme Lieder.

Und ich, ich denk an dich,

so immerzu.

Blüten tummeln sich in leichten Kreisen.

Alles dreht sich einmal ringsherum.

Die ganze Welt scheint heute irgendwie auf Reisen.

Und ich,

ich summ dich leise. Manchmal stumm.

Die Sonne blinzelt Wolkenschäfchen frei.

Ein Himmelblau tropft jäh von dir zu mir.

Was bleibt ist frühromantisch, Malerei.

Und ich,

ich denk an mich nur noch als wir.

Und wir, wir jagen jetzt den Schatten. Weil wir eben viele sind. Er befeuert unser Riesenrad so gut es geht. Doch wir werden mehr. Finden Wege aus der Trockenheit auf Sicht. Denn der Mut der Anderen, die so unverdrossen wandern, der besticht.

Zu Beginn, tief drin, im Innersten meines Selbst, da verbarg sich so eine Angst, eine Angst, die größer war als, alles das was war und als alles das was sein wird. Kaum greifbar aber immer auch so um mich rum. So wie ein klitzekleiner Schatten. Ein Wispern von fern. Ein rauschender Grund, der mir manchmal meinen Fokus nimmt.

Der mir jetzt manchmal ein kleines hoffnungsvolles Lächeln entzaubert

Der eine Tüte voll Gemeinschaft öffnet.

Der immer noch das seichte, ungute Gefühl, meist von hinten rechts ist

Aber eben anders!

Am Tag, an dem wir das Virus das letzte Mal wahrnahmen, war es nur kurz wie damals auf dem Riesenrad. Wir löschten unsere Wiedervorlagen. Und natürlich sponnen wir ein paar Verschwörungsfäden und sonderten einige rundum wissenschaftlich klingende Nachrichten an unseren Freundeskreis ab.

Aber wir saßen gemeinsam mit Pippi Langstrumpf im Riesenrad und konnten nicht genug von uns kriegen. Es war ein schattiger Tag, der hinter uns lag und wir schlenderten Arm zu Arm zur Villa Kunterbunt.

Und unsere Masken hingen nur noch locker am Bund.

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