Sich in einer Schlange anzustellen ist nichts Neues für Briten / Engländer; jetzt sind die Schlangen einfach nur mäanderförmig und sehr lang. Alle sind sehr zuvorkommend und nett und machen den ‚Lockdown‘ ordnungsgemäss mit. Die Millionenstadt ist lehr gekehrt. Der Vorort Londons, in dem ich wohne, ist total grün und die blühende Natur bewundernswert. Der schönste englische Frühling, den ich bisher erlebt habe. Die Sonne verwöhnt uns täglich, so auch die singenden Vögel, deren Gesang mehr denn je zu hören ist. Das Echo des hämmernden Spechts hallt und schallt in der Nachbarschaft; die Kirchglocken erhellen den Tag und teilen die Uhrzeit mit, so als ob ich in meinem Heimatdorf in Deutschland wäre.
Die Regeln sind sehr streng im Lockdown: nur zum Einkaufen raus gehen und zur sportlichen Bewegung. Also gehe ich jeden Tag wie einige andere in Sportsachen gekleidet in den Park, aber auch einkaufen. Sportlich ist es hier tatsächlich sehr geworden und sehr inspirierend, Gymnastik und Aerobic im Park zu beobachten und selbst mitzumachen. Manchmal stehe ich auch einfach nur da und mache meine Tai Chi Meditation und geniesse die Sonne auf meinem Gesicht. Die Leute, die ich getroffen habe, besonders in den ersten beiden Wochen des Lockdowns, waren sehr freundlich und grüssten mich mit einem Lächeln. Wie schön, sich menschlich so höflich gegenüber zu treten. Alle machen einen weiten Bogen um mich, aber ich mache es auch. Es ist ein Teil der Höflichkeit. Ich kann sogar ziemlich lange auf der Straße laufen; alle Autos sind geparkt und Parken ist dieser Tage kostenfrei. Die Geschäfte waren anfangs nur von 8am bis 8pm geöffnet und es lohnte sich, zeitig aufzustehen und vor der Homeoffice, rauszugehen und einzukaufen. Eier gibt es am Morgen, Mehl gibt es leider immer noch keines. Blumen gab es soviele zum englischen Muttertag Ende März, aber die Nation bevorzugte, Toilettenpapier zu kaufen. Die Blumen wurden an die Alten- und Pflegeheime gespendet. Eine Freundin legte mir einen Strauss vor die Tür, denn sie durfte so viele mit nach Hause nehmen, aus dem Marks & Spencer, in dem sie arbeitet. Ein wunderschöner Strauss, der normalerweise £30 gekostet hätte. Das Gemüseregal war auch einmal richtig leer, aber diese Panik hat sich schnell gelegt.
Einkaufen und Essen und Sport machen sind also die Lieblingsbeschäftigungen geworden. Der Body Coach Joe Wicks, der aus dem Nachbarsort kommt, machen jeden Tag mit der ganzen Nation 9am auf Youtube Sport und inspiriert Kinder und Erwachsene zugleich, sich fit zu halten. Er hat Rekordlikes bekommen und ist zum Lockdown Star geworden. Aufeinmal, wurde ich mit sehr vielen Angeboten beworfen, online, über Zoom oder Youtube mich mit anderen zu treffen, Salsa zu tanzen, mich fit zu halten, zu singen oder einfach mit einer Gruppe von Freunden ein Glas Wein zu trinken. Ein Freund schickt mir täglich seine Gedichte und Gedanken und wir telefonieren oft; wir kennen uns von unserer täglichen Busreise zur Arbeit und im Lockdown halten wir gerne den Kontakt aufrecht. Wir geben jedem Tag einen besonderen Namen: wir haben mit Blue Monday angefangen, dann Ruby Tuesday, Emerald Wednesday, Velvet Thursday, Sparkling Saturday, Saffron Sunday. Jetzt sind dabei, den Tagen Namen der Bäume zu geben: Magnolia Monday, Tupelo Tuesday, Willow Wednesday, Tamarind Thursday… wir halten uns poetisch fit. Und tauschen uns gegenseitig über Musikvorlieben aus. Musik bringt uns eine grosse Freude in dieser Zeit. Elton John hat ein Piano in seinen Vorhof gestellt und beim Konzert von Zuhause – One World Together at Home – wunderschön gesungen. Paul McCartney hat es versucht. The Rolling Stones waren super, sogar mit einem Drummer ohne Drumkit und trocken trommeln! Billy Eilish war der jüngste Star mit ihrem Song ‚Sunny‘. Der NHS, dem englischen Gesundheitssystem, wurde mit dem Konzert gedankt und nach jedem Song eine kleine Geschichte über Krankenschwestern und Ärzte in dieser Zeit berichtet. Der NHS wird auch jeden Donnerstag 8pm mit großem Applaus von zuhause gedankt, alle klatschen, klopfen mit ihren Töpfen, jolen und kommen auf ihre kleinen Balkons oder die kommunalen Grünflächen und halten den Applaus für mindestens 10 Minuten als freudiges Zusammenhalten. Feuerwerke, Knaller und Autohupen habe ich auch gehört. Wenn man gerade in dieser Zeit vom Joggen wiederkommt, fühlt man sich wie ein Sportsuperstar!

Kinder haben der NHS auch sehr gedankt. Bilder von Regenbögen wurden noch und nöcher gezeichnet und in Fenstern zum Bewundern gehängt. Es gibt Kreidegemälde auf den Fusswegen von Regenbögen. Es ist eine Schlange von Regenbögen geworden, online mit dem Hashtag #chase the rainbow auf Twitter und Facebook. Die Regenbogenflagge ein Symbol bisher für die LGBT Pride community, jetzt ist der Regenbogen ein Danke für die NHS. Der Anblick heitert mich auf.
Es gab auch ein oder zwei Tage Regen, an denen ich zuhause aufgeräumt habe und alle möglichen Bücher und Spielzeuge, die meine fast 13 jährige Tochter nicht mehr benötigt, an meine Nachbarin weitergegeben habe, die 3 jüngere Mädchen hat. Die Nachbarn sind alle zur Lifeline geworden. Ein paar Worte mit ihnen auf Distanz auszutauschen erscheint lebenswichtiger als je zuvor. Eine andere Nachbarin geht täglich mit ihren Hunden raus, wenn ich den Müll runter bringe und ich darf ihren Hunden eine Streicheltherapie geben; es ist so wohltuend.
Am Sonntag wird Boris Johnson bekanntgeben, welche Lockerungen des Lockdown stattfinden werden, aber ich geniesse die Zeit noch ein bisschen länger, von zuhause aus zu arbeiten, während es meiner Tochter nichts ausmacht, auszuschlafen und ihre Schulaufgaben vom Laptop in ihrer eigenen Zeit pflichtbewusst zu erledigen. Das schönste am Lockdown ist, sich der eigenen inneren Freiheit bewusst zu werden, mit sich selbst und mit der Welt und vielleicht auch mit dem Virus Frieden zu schliessen. Einen BH habe ich auch seit Wochen nicht mehr getragen. Der Hippie in mir ist sehr happy! Natürlich wird uns allen mehr denn je bewusst, dass wir menschliche Connections brauchen und uns gerne hinter und zwischen andere einreihen und in der Schlange geduldig warten und sich mit einem „Stay happy, healthy and Stay at home“ zu verabschieden.

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