Können Sie sich erinnern, dass wir früher, und ich meine damit richtig früher, in der Schule, in Geografie oder in Heimatkunde in der Unterstufe, wie es damals hieß, gelernt haben, am Rauch aus dem Schornstein auf die Windstärke zu schließen, an Häusern und deren Details Entfernungen abzuschätzen. Rauchschornsteine gibt es kaum noch, die Windstärke verrät uns schon vorher der Wetterbericht, für Wegentfernungen nutzen wir das Handy.

Irgendwann erfuhr ich, dass die Körpergröße der Spanne entspricht, die sich ergibt, wenn beide Arme ausgestreckt sind, ich habe es mehrfach nicht geglaubt und deshalb des Öfteren, auch bei Familienangehörigen, nachgemessen: Annähernd stimmt es. Das ergäbe eine einfache Möglichkeit, den jetzt geforderten Mindestabstand von 1,50 bis 2,00 Metern abzuschätzen, in dieses Schema passt ja fast jeder rein, also beide Arme strecken und los. Der nächste Passant kann das auch machen und schon sind unsere Körpermitten im richtigen, im gesunden Abstand zueinander. Es reicht auch, jeweils einen Arm auszustrecken, den zum Entgegenkommenden hin. Viele Fußwege stecken dem Grenzen, einer müsste oft auf die Straße ausweichen, auch das könnte gesundheitlich problematisch werden. Deshalb ist bei voraussehbar engerem Aufeinandertreffen in Geschäften oder Bahn Maskenpflicht angesagt, Also haben wir, mein Mann und ich, entschieden, Handschuhe und  Masken zu kaufen, Handschuhe bekamen wir schnell. Aber der Maskenkauf war ein längerer Prozess, entweder war der Preis extrem hoch oder die Lieferzeit entsprechend lang, so dass wir es erst einmal mit Schlauchschals versuchten, bis wir fündig wurden.

Bei öffentlicher Erstnutzung von Maske, Handschuhen, Sonnenbrille, Hut, noch wegen Friseurschließung, wurden wir von Nachbarn gefragt, ob wir eine Bank ausrauben wollten. Das Selfie, an die Familie geschickt, brachte uns von unserem Sohn die Frage ein, ob wir schon mal was vom Vermummungsverbot gehört hätten. Es sieht wirklich gewöhnungsbedürftig aus und das beschlaglose Atmen mit Brille muss geübt werden,  aber neben dem Infektionsschutz sind auch Falten verborgen, Schminken ist überflüssig.

Es ist aber auch schön im Freien, beim Spaziergang die Maske wieder abzulegen.

Jeden Nachmittag ist bei uns Spaziergang angesagt, um mal an die frische Luft zu kommen, sich zu bewegen und etwas anderes zu sehen als die eigenen vier Wände. Nun ist Spazierengehen um jeden Preis auch etwas langweilig, zum Glück lädt inzwischen am Ende wieder ein Kaffeegedeck, ein Eisbecher oder wenigstens eine Toilette zum Sitzen ein.

So erarbeiten wir uns Touren durch Erfurt, als Wegweiser nutzen wir das Buch „100 Denkmale in Erfurt“ von Steffen Raßloff, um lernbegierig durch unsere Stadt zu spazieren. Das Wetter ist meist schön, wir spazieren durch Parkanlagen, durch Kneipenviertel, auch über Friedhöfe und sind so manches Mal erstaunt, wenn wir näher hinschauen, nachdem wir Raßloffs Erklärungen gelesen haben. Und nebenbei lesen wir noch viele Gedenktafeln, die auf Erfurt als Begegnungsort für Politiker, Dichter oder Wissenschaftler hinweisen. Auch die Kirchen sind größtenteils geöffnet und leer, so dass wir uns auch hier Zeit nehmen können, diese ohne Hast zu besichtigen, manche auch zum ersten Mal.

Ganz nebenbei trainieren wir auch unser Reaktionsvermögen, wenn völlig unerwartet ein bis mehrere Radfahrer hinter uns klingeln und/oder von vorn heranrasen, ein Sprung zur richtigen Ausweichseite ist angesagt, ohne Maske lässt sich der Schreck ganz gut wegatmen.

Aber bei evtl. Heimfahrt mit der Bahn muss die Maske wieder übergezogen werden, man wird sich für eine Zeit an ein Leben mit Mund- und Nasenschutz gewöhnen müssen.

von
Regina Rothenberger

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